Ego-State-Disorder

 

Konflikt der 2 bis X Welten

Es ähnelt der dissoziativen Identitätsstörung in ihren Grundzügen, der Wechsel zwischen den Rollen eines Menschen mit Ego-State-Disorder. Es ist kein Krieg der Welten die in einem Menschen mit der Störung wütet, vielmehr sind es parallele Universen, die nebeneinander her existieren, jedoch immer nur eine der Welten im Außen erscheint. Kryptisch klingt das alles, schwierig zu beschreiben, aber es gibt genügend Menschen, welche sich in der DIS nicht "zu Hause" fühlen. Nicht "angekommen" erleben, wo sich vieles ähnelt, aber letztlich die Beschreibungen nicht passen zum eigenen Erleben.

Machen wir ein Gedankenexperiment um die Situation von Menschen mit ESD etwas näher zu beschreiben:

Markus ist ein gesunder Mensch. Er kommt auf die Welt, erlebt ein herzliches Willkommen bereits als Baby. Im Laufe seines Lebens lernt er die elementaren Dinge, auf die es in der Gesellschaft - in welche er sich integrieren muss- ankommt: Gut und Schlecht. Die Facetten dazwischen. Richtig und falsch. Er lernt liebe und gemeine Menschen kennen und manchmal auch welche die erst lieb sind, dann gemein. Markus lernt in der Schule sich zu integrieren, seine Familie hilft ihm immer dabei. Die Familie, der Fels in der Brandung. Seine Weltordnung ist klar strukturiert und auch wenn er manchmal gerne über die Stränge schlägt: Seine Identiät hat er noch nie in Frage gestellt, seine Weltordnung ist immer gleich.

Markus ist also unser Mustermensch, er hat gelernt wie die Welt tickt und welche Rolle er dabei spielt. Er hat sich kennengelernt im Leben, lernt mit jeder Situation wie er selbst auch ist. Er hat ein Universum: Sein eigenes.

Michael ist ein Mensch, der schon zu Beginn einen schlechten Start hatte. Er war unerwünscht, seine Geburt ein notwendiges Übel. Sein Vater trennte sich wenige Tage vor der Geburt von Michaels Mutter. Seine Mutter verachtet ihn und lässt das Baby es von Beginn an spüren. Eine postnatale Depression der Mutter lässt das junge Leben Monate ohne Zuneigung aufwachsen. Im Laufe seines Lebens lernt er, dass er nichts zu melden hat. Sein Erleben ist grundlegend falsch, weil er als Person bereits -falsch ist. Er hat keine Liebe und Zuneigung der Eltern erlebt, lediglich seine große Schwester versucht ab und zu etwas gut zu machen. Sexualisierte Gewalt ließen sein Bild der Welt dermaßen erschüttern, dass er eine eigene Ordnung in seine unsichere und bedrohliche Welt bringen muss. Michael muss lernen die Stimmungen seiner Mutter genau zu deuten und dementsprechen zu "sein", zu handeln und zu agieren, damit sie nicht ihren Hass über ihn erbricht. Er entstehen viele Wahrheiten in seiner Welt.

Michael ist somit unser Mensch mit einem zerrütteten Welterleben. Er muss viele Weltordnungen erschaffen um in seinem Umfeld überleben zu können, denn nur durch diese verschiedenen Ansichten der Welt kann er bei seiner höchst launischen und depressiven Mutter bestehen.

Im Gegensatz zu unserem gesunden Markus, der in einer Weltordnung lebt, ist Michael ständig darauf bedacht aufzupassen welche Regeln und welche Ordnungen gerade gebraucht werden um zu überleben. Es sind Wie mehrere Welten ineinander, welche sich auf Bedarf / Trigger / Notwendigkeit öffnen.

 

Quelle: kirkum2020

 

Auszug aus einer realen Situation mit Joshua (Link zum Interview):

Joshua hat sich selbst mittlerweile besser kennengelernt. Sich und seine States, seine Teile die zu ihm gehören und doch nicht ganz integriert sind in sein ganzes Ich.

Grundlegend hat sich seine diagnostizierte soziale Phobie nicht verändert und bestimmt auch die Antipathie gegenüber anderen Menschen. Eigentlich ist Joshua ein ungewollter Eremit, hat Gewaltvorstellungen, Probleme mit sozialen Interaktionen und gesellschaftlichen Floskeln.
Umso überraschender ist für Außenstehende den folgenden Auszug aus seinem Leben:

Ich spielte am Computer, zockte, Spiele, durchforstete Webseiten nach neuen Inhalten, Wissen, Lustigem, Spannendem.
Als ich in die Küche ging - es war schon dunkel, finster düster draußen -, bemerkte ich lautes Palaver. Es kam von draußen, meine Ohren spitzten sich sofort. Alarmbereitschaft. Ich wurde aus meinem Trott rausgerissen, meine Neugier ließ mich ausfinden, wo das Gelächter, Gebrülle herkam. Ich sputzte aus meinem Fenster. Mein Gefühl täuschte mich nicht, da passiert etwas draußen.

Sofort switchte meine Innenwelt. Meine Wahrheiten über Menschen veränderten sich blitzschnell.

'Da, schau hin, du siehst das, da braucht jemand Hilfe!' dröhnte ein Teil von mir.
Von meinem Küchenfenster aus ergab sich mir ein schreckliches Bild: Zwei Jugendliche brüllten einen Jüngeren an, stritten, lachten, der Jüngere hielt eine abwehrende Haltung gegenüber der zwei großen übermächten Jugendlichen. Sie bedrohten ihn, bäumten sich auf und dann passierte es. Sie schlugen auf ihn ein.

Ich schnappte mir meine Machete, welche ich immer griffbereit unter meinem Bett aufbewahrte, hielt den Griff fest umschlossen.
'Da passiert Ungerechtigkeit. Da braucht jemand Hilfe. Mir hat nie wer geholfen, das will ich ändern, diesmal nicht. Diesmal werden sie sich umsehen, diese miesen Bastarde. Wie können Sie es wagen einem anderen in der Überzahl. .’. Noch während sich meine Welt erneut änderte, die Wahrheiten von Menschen, die die ich alle nicht leiden mag und kann, liefen meine Beine in das Szenario, welches sich in einem Gang, einem dunklen Gang, einem regelrechten Gässchen abspielte.

Ich blickte zu dem Jungen am Boden und fragte in völliger Selbstsicherheit: "Brauchst du Hilfe?" - meine Machete erhoben. Die zwei durchaus größeren und imposant wirkenden Jungen starrten völlig aus -ihrem- Trott rausgerissen auf meine drohende Waffe.
Stille. Mächtige Stille und die Macht strahlte von mir aus.
'Ich beschütze ihn, komme was da wolle' dachte ich zum Jungen auf dem Boden. Die Jungen rannten wortlos weg.
Ein kurzer Blick dem Übel hinterher und ich ging wortlos zurück in mein Haus.

Meine Welt änderte sich wieder. Ich setzte mich an meinen Rechner, als wäre ich nur kurz aufgestanden um mir etwas zu trinken zu holen.
'Alles wie immer' dachte ich und surfte weiter im Netz.

Die Ego-State-Disorder beschreibt diese Rollen in ihrer Inkongruenzheit. In unserem Beispiel von Joshua prallen hier zwei Welten aufeinander. Weltordnung A in der alle Menschen verabscheut werden und somit "schlecht" sind, welches sich auch mit der sozialen Phobie erkennen lässt und Weltordnung B in der es durchaus ein "Gut" und "Schlecht" gibt, das Gute beschützt werden muss und das Schlechte bestraft.

Menschen mit einem gesunden Ich-Gefühl geraten nicht in solche Weltordnungskonflikte.

Polyfragmentierte DIS


Der Begriff "polyfragmentierte dissoziative Identitätsstörung" beschreibt das Ende des Dissoziations-Kontinuum [1], ist meines Wissens nicht wissenschaftlich erwiesen worden, dient als Arbeits-Hypothese und soll den Grad der Fragmentierung darstellen:

(Kontinuum nach Ross 1989 & Braun 1988)

 

(Vereinfachte Darstellung Linehme 2014)

Der Grad der Fragmentierung sagt nichts über den Kummer und das Leid aus, sondern soll eine Einschätzung geben, mit welcher Art der Komplexität man konfrontiert ist.

Er bedeutet nicht "mehr" oder "weniger" Leiden & Kummer, sondern ist ggf. innerhalb der Therapie und des persönlichen Heilungsweges relevant, denn das was Betroffenen mit einer partiellen dissoziativen Identitätsstörung hilft, kann für Betroffene der polyfragmentierten dissoziativen Identitätsstörung weniger hilfreiche Wirkung erzielen.
Entsprechend geht es darum, dass die Methoden an den Grad der Fragmentierung / der strukturellen Dissoziation angepasst werden (sofern überhaupt bekannt), um Werkzeuge zu finden, andere Methoden der Unterstützung zu erfahren.

 

Ross & Braun [2] teilen die dissoziative Identitätsstörung in drei verschiedene Bereiche auf:


(vereinfachte Darstellung Linehme 2014)

 Bei einer polyfragmentierten dissoziativen Identitätsstörung sprechen wir also von über 20 Dissoziation. Übernimmt Alltagsfunktionen im Gegensatz zum emotionalen Anteil EP.">ANP´s (siehe: Strukturelle Dissoziation), die anhaltend in der Exekutive sind und durch starke dissoziative Barrieren (mit mehr oder weniger Co-Bewusstsein / Kommunikationswegen) teilweise in ganzen Clustern getrennt sind und innerhalb derer (inter-)agieren.

Da wir hier von einer Arbeits-Hypothese sprechen, kann man nicht klar formulieren, wer wann unter welchen "Grössenordnungen" wie zu einem polyfragmentierten System "zählt" oder nicht.

Die Antwort selbst, wo man sich auf dem Grad der Fragmentierung bewegt, kann der Betroffene bspw. mit Unterstützung des Therapeuten erfahren, sofern der versierte Therapeut genügend Erfahrung mit ähnlich strukturierten Systemen hat.

 

Persönliche (!) Erfahrungen, die ich auf dem Weg der Unterstützung von Betroffenen mit str. Dissoziation mit dem Kontext "Polyfragmentierung" mitgenommen habe:

Betroffene die ich oder sie sich selbst als polyfragmentiert wahrnehmen / wahrgenommen habe, kenne ich nur mit dem Hintergrund destruktiver Kulte / ritualisierter sexualisierter Gewalt.
In allen Fällen sind es intendierte Systeme (siehe Typen / Kategorien der strukturellen Dissoziation) und haben nebeneinanderstehende Cluster oder Sub-Systeme, die ziel- und ergebnisorientiert teilweise hoch-autark funktionieren.

In der Behandlung von intendierten Systemen mit dem Zusatz der Polyfragmentierung braucht es für die Therapie, sowie Ausstiegsbegleitung teilweise andere therapeutische Werkzeuge, um zu einem heileren Leben zu kommen.

Oftmals ist der "Status Quo", bereits ein grosser Therapie-Erfolg, was nicht bedeutet, dass dieser sich nicht ständig verändern kann. Für viele Betroffene der Poly-DIS ist der Austausch - sofern verdeckt realisierbar - besonders hilfreich, um sich unterschiedlichen Clustern anzunähern und diese im therapeutischen Setting zu beleuchten. Gerade bei Polyfragmentierten habe ich häufig erfahren, dass Drogen im (Klein-)Kindalter mit verwendet wurden, um den Mensch zu einem intendierten System zu "strukturieren".

Es scheint unterschiedliche manchmal ähnliche Konstrukte im Systemaufbau zu geben, die bspw. als Gitter-Netzwerk/-System oder Maschen- /Knotensystem beschrieben werden.
In vielen Fällen gibt es eine besondere Art von Beobachter-Anteile(n), die bis zu einem gewissen Grad eine Übersicht über das (Sub-)System, mind. einen Cluster haben oder zumindest über die Existenz anderer Cluster wissen.

Linehme

[1] Braun, 1988a/b; Ross, 1989; Braude 1991

[2] Ross 1989; Braun 1988

Selbstverletzung

Selbstverletzung - selbstverletzendes Verhalten - selbstschädigendes Verhalten

Selbstverletzung - selbstverletzendes Verhalten - selbstschädigendes Verhalten

Das Thema Selbstverletzung ist für viele Betroffene von Dissoziationen, aber auch generell von traumatischen Erlebnissen in der Vergangenheit leider oftmals ein Thema, welches sich nicht so einfach aus dem Alltag ausblenden lässt.

Ich beziehe mich im Folgenden auf die aktuelle Situation von Betroffenen mit der Selbstverletzungsstruktur und klammere religiöse, kulturelle und andere Zusammenhänge völlig aus, da sie für mich in diesem Zusammenhang keine Relevanz haben.


Beginnen wir strukturiert:

1. Vorsätzliche Selbstbeschädigung (X60-X84)
2. Was zählt alles zu Selbstverletzung?
3. Wer verletzt sich selbst? (unter Bearbeitung)
4. Warum verletzen sich Menschen selbst? (unter Bearbeitung)
5. Wollen sich Betroffene Menschen suizidieren? (unter Bearbeitung)
6. Kann man autoaggressives Verhalten therapieren/heilen? (unter Bearbeitung)
7. Epidemie entnommen von Wikipedia.org:
8. „Pro-SVV“, positive Verbindung zum selbstverletzenden Verhalten: (unter Bearbeitung)
9. Was können Angehörige tun?
10. Selbstverletzendes Verhalten und Dissoziation:

1. Vorsätzliche Selbstbeschädigung (X60-X84)


Letztendlich ist diese Beschreibung der Verhaltensweise jene, welche von Ärzten und den meisten Betroffenen beschrieben wird und unter denen am meisten auf irgendeine Art gelitten wird. Dazu zählen rein die körperlichen Verletzungen, wie

• Vorsätzliche Selbstvergiftung durch und Exposition gegenüber Betäubungsmittel(n) und Psychodysleptika [Halluzinogene(n)], anderenorts nicht klassifiziert (X62)
• Vorsätzliche Selbstbeschädigung durch scharfen Gegenstand (X78)

• Vorsätzliche Selbstbeschädigung durch Sturz in die Tiefe(X80)
[…]

Und somit kommen wir gleich zum nächsten Thema:

2. Was zählt alles zu Selbstverletzung?


Oftmals wird darüber diskutiert, was alles zur Selbstverletzung dazugehört und wo man das abgrenzen müsste.
Ich persönlich sehe das folgendermaßen:

Die Diagnose sagt ganz genau aus, was als Selbstbeschädigung definiert ist und letztendlich versteht man darunter die körperliche Selbstschädigung. Psychische Selbstschädigung (wie „absichtliches in Gefahr bringen“, „körperliche Ausbeutung als ~Skill~ nutzen“) ist für mich eine andere Art der Selbstverletzung, die meistens aus anderen Gründen (Täterintrojekte etc.) genutzt wird.

Die typischen physischen autoaggressiven Verhaltensweisen sind:

• Verletzungen der eigenen Haut durch Schneiden (Glasscherben, Skalpell, Rasierklingen, Messer, Scheren, scharfe Gegenstände aller Art) an Armen, Beinen, Bauch, Brustbereich etc.


• Verletzungen ohne Gegenstände wie „Abknibbeln der Fingerspitzen / Nagelbett“, Aufreißen alter Wunden und Verhinderung der Wundheilung, Ausreißen von Haaren (Achtung: Extra-Diagnose Trichotillomanie!), Schlagen des Kopfes gegen Wände oder mit den Händen etc.


• Absichtliche Zuführung von Prellungen, Brüchen, Verbrennungen, Schrammen usw.


• extremer Sport bis zur totalen körperlichen Erschöpfung


• Einnahme von giftigen Stoffen, Schlucken von Rasierklingen / scharfen Gegenständen, Missbrauch von
Medikamenten / Drogen mit Ventilhintergrund,


• Wangenkauen, Zähne zusammenpressen bis Krämpfe und Schmerzen entstehen


• Ich zähle auch Anorexie zu typischem selbstverletzendem Verhalten

...

 

Wie man sieht, es gibt eine unglaubliche Vielzahl an Arten und eigentlich kann man fast nichts ausschließen. Es gibt so viele Wege wie es Menschen gibt um sich selbst Schaden zuzufügen.

 

3. Wer verletzt sich selbst?

 

Sofern wir uns als Ursache die Erkrankung der Psyche vor Augen halten, kann man sagen, dass jegliche Arten von Traumatisierungen (Gewalterfahrung, Übergriffe sexueller Art, mentale Gewalt, Vernachlässigung, instabiles Verhalten des Umfeldes, Co-Abhängigkeit, kriminelle Gewalterfahrung, mit ansehen eines sterbenden Menschen, Beobachten derartiger Gewalt etc.) ein destruktives Verhalten auslösen können. 

 

Ich habe beobachtet, dass männliche Betroffene von Traumatisierungen öfters nach Außen agieren und somit fremdaggressiv werden, weibliche Betroffenedie Erschütterungen des Lebens an sich selbst auslassen und autoaggressiv werden.

So lässt sich insbesondere bei männlichen Betroffenen die Vielschichtigkeit der Ursache von Fremdaggression gar nicht immer so einfach aufdröseln und wird sicherlich zu 60% missinterpretiert.

In diesem Zuge muß ich natürlich auch die "typischen Diagnosen" die mit Autoaggression als Symptom oft einhergehen ansprechen:

 

- schizophrene Schübe oder Psychosen können selbstverletzendes Verhalten auslösen

- als begleitendes Symptom bei Bulemie, Anorexie oder Adipositas

- Körperschema-Störungen (das Bein gehört nicht zu mir!)

- emotional instabile Persönlichkeitsstörung

- Deprivation

- Pupertät, adoleszentes Alter

- usw.

 

Es gibt eigentlich keine direkte Alters-, Schichten-, Kulturgruppe, da des destruktive Verhalten meistens umschwenkt und vom sichtbaren Selbstverletzungen zu unsichtbaren Selbstverletzungen sich weiterentwickeln kann.

In Studien findet man oftmals Altersgruppen von 12 unter 30 Jahren, letztendlich glaube ich allerdings nicht ganz daran, da sich das erlernte Verhalten von Entlastung durch Schmerz in gesellschaftlich anerkannte "Methoden" weiterentwickeln kann.

 

Das Thema von kultureller Autoaggression lasse ich in diesem Kontext völlig aussen vor, da es mir als nicht passend und zugehörig erscheint.

 

4. Warum verletzen sich Menschen selbst?
(unter Bearbeitung)

5. Wollen sich Betroffene Menschen suizidieren?

(unter Bearbeitung)

6. Kann man autoaggressives Verhalten therapieren/heilen?

(unter Bearbeitung)

7. Epidemie entnommen von Wikipedia.org:



   ab ca. 11 bis 16 Jahre: 34 %

   16 bis 18 Jahre: 29 %

   18 bis 20 Jahre: 17 %

   20 bis 24 Jahre: 13 %

   über 24 Jahre: 7 %

Häufigkeit

   1 mal: 2 %

   25 bis 50 mal: 23 %

   öfter als 50 mal: 75 %

Aus persönlicher Erfahrung heraus kann ich diese Zahlen ungefähr bestätigen. Viele Betroffene von selbstverletzendem Verhalten befinden sich in der Adoleszenz-Phase ihres Lebens. Ich denke dies lässt sich zurückführen auf die mangelnden Möglichkeiten mit Gefühlen „gesund“ umzugehen, die erwachsene Menschen für sich bereits erlernt haben.

Auch ist für mich die Häufigkeit der Selbstverletzungen nicht ungewöhnlich, da ich das selbstverletzende Verhalten wie eine Sucht, eine Droge betrachte bzw. eine erlernte Struktur die in bestimmten Situationen / Gefühlszuständen als extrem hilfreich empfunden wurde.

Letztendlich habe ich die Erfahrung gemacht (unter Betroffenen und in Kliniken), dass sich das „typische autoaggressive Verhalten“ aus der Adoleszenz mit den Jahren/Jahrzehnten abmildert oder komplett verschiebt / aufhebt.

Ich denke es liegt daran, dass mit den Jahren die Betroffenen sich selbst besser kennenlernen und - sofern der Wunsch vorhanden ist aus dem Kreislauf auszubrechen - die Auslöser / Trigger bekannt sind und mit der Zeit früher eingegriffen werden kann oder man direkt ruhiger wird, da man sich selbst gut kennengelernt hat.


Natürlich ist das nur eine subjektive Einschätzung und jeder kann dies anders wahrnehmen.

 

8. „Pro-SVV“, positive Verbindung zum selbstverletzenden Verhalten:

(unter Bearbeitung)

 

9. Was können Angehörige tun?


Dies ist ein sehr wichtiger Punkt, denn Angehörige können eine unglaublich wichtige Komponente für Betroffene von autoaggressivem Verhalten sein. Teils sind sie der Auslöser (bewusst oder unbewusst) und teils können sie Betroffene aus dem Verhalten rausheben und zu einer gesunderen Verhaltensweise bringen.

Wir beschäftigen und nun mit dem positivem Hintergrundgedanken, dass Angehörige helfen möchten:

  1. Einer der größten Fehler die gemacht werden können ist das autoaggressive Verhalten zu ignorieren, zu deckeln, totzuschweigen. Es ist ähnlich wie mit alkoholkranken Menschen: Das Deckeln und Schweigen kann schnell zu einer Co-Abhängigkeit führen oder das Verhalten sogar verstärken.
    Somit gilt für Angehörige: Sprecht es an, erklärt, was ihr seht und schweigt nicht darüber. Beim Sprechen darüber ist es wichtig trotzdem die Grenzen zu wahren und nicht in Vorwürfe („Hör auf dich zu schneiden sonst…“) zu verfallen.
    Am besten sind hier wie immer: Ich-Botschaften:
    „Mir ist aufgefallen, dass du häufig Verletzungen hast. Das macht mich traurig, weil ich das Gefühl habe, dass dies nicht zufällig passiert. Ist das so?“
    „Ich habe das Gefühl dir geht es oft nicht so gut und denke, dass dein Körper dafür ein Ventil ist – erlebe ich das richtig?“

  2. Ein gesundes Maß an Aufmerksamkeit. Oftmals ist das eine schwere Gradwanderung zwischen zu viel Aufmerksamkeit und zu wenig. Hier muss man als Angehöriger selbst gesund für sich und den Angehörigen entscheiden wie viel Platz / Raum das Thema Selbstverletzung im Alltag einnehmen darf und muss. Es ist wichtig das Verhalten nicht zu lapalisieren („Andere haben viel schlimmeres erlebt und müssen sich auch nicht ritzen.“) oder unnötig hochzuheben („Oh nein, das ist so schlimm, erzähl mir bitte immer davon wenn du es tust oder getan hast!“). Ein Mittelmaß ist eine Balance zwischen nötiger Aufmerksamkeit und einem guten Schuss Ruhe und Gelassenheit.

  3. Unterstützung und fester Halt – der Fels in der stürmischen Brandung.

Einer der großen Gründe für das destruktive Verhalten ist der fehlende Halt in der Familie / im Umfeld oder erschütternde Erlebnisse, die einen gesunden Halt in der Familie unmöglich machen.

Sich auf einen Menschen verlassen können, egal was passiert, wie schlimm eine Verletzung auch ist oder wie groß das Leid das einem wiederfahren ist oder gerade wiederfährt ist, gehört zu den ganz wichtigen Dingen im Leben eines jeden Menschen.

Wenn der Betroffene jemanden hat an den er sich unumstritten und zu jeder Zeit (gesund!) wenden kann, zum Beispiel wenn man durch die Selbstverletzung ein Arzt zur weiteren Behandlung nötig ist oder der Druck größer ist, als es die Selbstverletzung noch ausgleichen kann (Suizidwunsch), ist das ein ganz großer Halt für den Menschen und kann zu einer großen Stabilisierung führen.

Wichtig ist es hier, darauf ein besonderes Augenmerk zu haben und sich selbst zu reflektieren:

Bin ich ein gesunder Halt für den Betroffenen?
Gebe ich mich selbst für den Betroffenen auf?
Wo sind meine Grenzen wo die des Betroffenen?

Nicht vergessen: „Ich als Angehöriger lege dem Menschen nicht die Klinge in die Hand!“.
Betroffene sind immer noch selbstverantwortlich für ihr Verhalten.

4.Jeder Ratschlag ist ein Schlag.

Diesen Satz kann man generell im Hinterkopf behalten – nicht nur bei autoaggressiven Menschen. Jemand der dieses Verhalten nicht an sich beobachtet hat / Professioneller oder Gelehrter zu dem Thema ist, kann das sehr schlecht nachvollziehen und meistens sind die Ratschläge die gerne gemacht werden („Du brauchst einfach mal wieder ein Entspannungsbad!

Geh doch raus ein wenig Joggen, das hilft mir auch immer wenn ich angespannt bin!“) alles andere als hilfreich und unterstützen eher noch das Gefühl bei Betroffenen ganz alleine mit dem Problem dazustehen und völlig unverstanden von den eigenen Angehörigen gesehen zu werden.

Klar gibt es wie immer Ausnahmen, aber oftmals erlebe ich Betroffene, die sich hilflos und alleingelassen unter ihren Angehörigen mit dem Problem dastehen.

Ich empfehle sich selbst in die Therapie (sofern ein Therapeut / Klinik vorhanden) miteinzubeziehen und Ideen holen oder gemeinsam erarbeiten, wie man als Angehöriger konstruktiv reagieren kann. Auch macht es durchaus Sinn sich durch Communitys / Foren / Chats zu diesem Thema mit anderen Betroffenen oder Angehörigen auszutauschen um konstruktive Idee zu sammeln und zu testen.

5.Hilfe zur Selbsthilfe für Angehörige:

Unterstützungsangebote gibt es mittlerweile zu Hauf. Kliniken, Therapeuten, Bücher und Lektüren, Dokumentationen und Berichte, sowie Communitys für Angehörige und unzählige Websites die sich mit diesem Thema befassen können eine sehr gute Unterstützung für die Unterstützung sein!
Die Suchmaschine kann helfen mit folgenden Begriffen: „Selbstverletzendes Verhalten“ + “Angehörige“

10. Selbstverletzendes Verhalten und Dissoziation:


Das autoaggressive Verhalten wird meistens in einem mehr oder weniger stark ausgeprägtem dissoziativem Zustand ausgeübt.

Beispiel:

„Auf einmal ertrug ich diesen ganzen Schmerz nicht mehr. Ich war in meinem Zimmer und stand wie von Sinnen getrieben auf. Ganz automatisch lief ich ins Bad und setzte mich auf den Rand der Badewanne. Völlig automatisiert griff meine Hand zur Rasierklingendose meines Vaters.

Wie schon so oft nahm ich eine frische Klinge raus und starrte sie einen Moment an. Die ganze Welt um mich verschwamm, wurde dumpf und surreal. Ich wußte zwar was jetzt passieren wird, aber ich war unfähig etwas dagegen zu tun oder dagegen anzukommen – der Drang war größer.

Ich nahm die Klinge in die Hand und drückte sie fest in meinen Arm. Ich spürte keinen Schmerz nur einen metallischen Geschmack im Mund. Es fühlte sich an, als würde all der Schmerz austreten und mit jeder Blutlinie lief ein Teil meiner Sorgen mit hinfort.

Ich spürte Erleichterung, als würde ich durchschnaufen, ja fast so etwas ähnliches wie Glück. Nach 15 Minuten war alles vorbei und ich fand mich selbst auf dem Boden des Bades wieder.“


In diesem Beispiel zeige ich wie so ein dissoziativer, automatisierter Zustand aussehen kann, das gleiche lässt sich auch auf alles andere übersetzen, zum allgemeinem Verständnis spreche ich meistens von der Hautverletzung durch das Schneiden.

Genauso kann das Verhalten auch umgekehrt entstehen, indem die Selbstverletzung als Erdung von einem dissoziativem Zustand genutzt wird.

Beispiel:

„Ich war wieder in dieser Wattewelt drinnen und konnte nicht mehr raus. Die Realität wurde seltsam, ich verschwand gefühlt an die Decke des Klassenzimmers. Die lauten Stimmen von meinen Schulkameraden nahm ich nicht mehr wahr, ich war schon kurz davor völlig weg zu dissoziieren. Ich nahm meinen letzten Funken Verstand in die Hand und stand auf, brabbelte etwas von „Toilette“ und taumelte in eine WC-Kabine. Keiner war dort und mit alle Kraft knallte ich mit dem Kopf gegen die Wand. Der Schmerz holte mich urplötzlich zurück in die Realität und ich wurde sofort wieder klar im Kopf.“

In diesem Beispiel beschreibe ich die Selbstverletzung als notwendiges Ventil um aus Dissoziationen wieder
herauszukommen.

Für multiple Menschen (Betroffene von DSNNS / DIS) kann es sogar so weit gehen, dass sie in der Dissoziation eine derartige Dissoziation Überlebensstrategie: Trauma bleibt unbewusst gespeichert und kann erst nach Jahren auftauchen.">Amnesie erleiden, dass ein anderer Teil von ihnen diese Zeit übernimmt und das eigene autoaggressive Verhalten in diese Zeitlücke miteinbringt. Meistens wundert sich der betroffene wieder „zu sich gekommene“ Teil über die Schäden am Körper und kann sie nicht zuordnen.

Es gibt auch Fälle von dissoziativem selbstverletzenden Verhalten wo nicht einmal die Wunden an sich erkannt werden. Quasi blendet der Kopf die Wunden am Körper direkt aus und kann sie nicht mit sich in Verbindung bringen oder überhaupt als jene bewerten.

In diesem Fall empfehle ich meistens mit einem Wattebausch über die Arme zu streifen und nachzusehen wo die Watte stecken bleibt und sich Fusseln bilden um eine weitere Wundversorgung zu ermöglichen.

 

©Linehme

Anzeichen

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Das Thema Anzeichen für eine dissoziative Identitätsstörung ist mit absoluter Vorsicht zu betrachten. Viele Symptome können von anderen Erkrankungen herkommen und müssen nicht unbedingt auf eine DIS schließen. Trotzdem möchte ich die "typischen" Anzeichen für eine derartige Störung beschreiben. Zum Thema Schizophrenie geht es hier entlang.

- Das Hören von inneren Stimmen IM Kopf wie Kinderstimmen

- Mitbekommen von inneren Dialogen, Streitgesprächen, Diskussionen IM Kopf

- Roboterartiges Handeln, das Gefühl, dass man nicht selber agiert und somit ein teildissoziiertes Verhalten erlebt

- Gedanken die sich völlig fremd anfühlen, als wären sie von einem fremden Menschen IN einem selber, somit teildissoziierte Gedanken

- Das Gefühl, dass man nicht selber spricht, zwar weiß, das kommt aus dem eigenen Mund, aber es wirkt falsch, nicht zu einem gehörig, ergo teildissoziiertes Sprechen/Reden

- Die Wahrnehmung von stark herabsetzenden inneren Stimmen, die einen bedrohen oder jegliches Handeln negativ kommentieren

- Abgespaltene Fähigkeiten wie "plötzlich nicht mehr Autofahren/Klavier spielen/Fahrrad fahren/zeichnen können", aber zu anderen Zeitpunkten das völlig normal abrufen können

- Aussagen vom Umfeld, die Gespräche an die man sich nicht erinnert oder falsch erinnert, völlig verändert -wie ein anderer Mensch sein, viele Gesichter haben etc.

- Sich plötzlich wie eine andere Person fühlen, mit einer anderen Lebenseinstellung, eigenen Erinnerungen oder Amnesien zwischen solchen "Zuständen"

- Sich sehr unsicher fühlen im eigenen Ich-Gefühl, was sich auf "ichfremder" Erlebnisse  (wie teils oben beschrieben) begründet

- Wiederholte Amnesien über sich selbst, seine Erinnerung, seine Vergangenheit, "angeblich erlebter Ereignisse", Dinge die man "angeblich" gekauft hat, sich nicht daran erinnert

- Auffinden von fremden Gegenständen, die aber nicht von fremden Menschen in den Besitz übergegangen sind, wie Zettel, Klamotten, Gegenstände, Essen etc.

- Auffinden von fremden Schriften, die aber zu 100 % nur von einem selbst kommen können wie in einem privatem Tagebuch, Unterschrift mit anderen Namen etc.

- Selbstverletzungen oder Suizidversuche zu denen man völlig amnestisch ist

- Hochfunktionalität mit Einschränkungen, Betroffene einer (p)DIS können durchaus unauffällig durch den Alltag kommen, sobald es aber privat oder emotional wird, ist der Betroffene überfordert

- (Unerklärbare) unterschiedliche Reaktionen auf Medikamente, Therapien, Tests

-

Wechsel / Switches

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Was ist ein Switch, ein Wechsel?
Multiple Menschen erleben sich selbst immer wieder in bestimmten Zuständen, wenn Anteil A in den Hintergrund gerät und Anteil B zum Vorschein kommt. Dieser Prozess des Wechselns von den Anteilen wird im englischen somit als Switch und im Deutschen als Wechsel synonym verwendet.

Oftmals erscheint es den multiplen Menschen als unkontrollierbares eigenes Verhalten, welches durch Trigger (Gerüche, Worte, Satzkombinationen, Themen, Umweltkonstellationen etc.) ausgelöst wird. Oftmals wird der multiple Betroffene durch diese Trigger an etwas schmerzvolles oder gefährliches / selbstgefährendes "erinnert" und dies kann zu dem ehemals erlernten Verhalten (Switch) führen.

Die Übergänge zwischen den Anteilen / Identitäten sind meistens in Sekunden, manchmal auch stufenweise zu erkennen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass einem Wechsel immer ein Anzeichen hervorgeht. Es ist eher der Fall, dass man dies nicht bemerkt.

Auch hier gilt: Dies sind nur Beispiele und für jeden multiplen Menschen gibt es ganz individuelle Anzeichen.

Anzeichen:

- schnelles Augenzwinkern

- wechselnde Augenfarbe (wird heller oder dunkler, manchmal ändert sich auch die Farbe, der äußere Pupillenring etc.)

- die Stimme ändert sich, sie wird tiefer, dunkler, heller, piepsiger, monotoner, roboterartig, weiblicher / männlicher etc.

- die Mimik ändert sich, die Gesichtszüge werden härter oder weicher, manchmal wirkt das ganze Gesicht völlig verändert oder auch verzogen

- der Gedankenfluss, das was man gerade noch sagte, bricht ab oder plötzlich wird woanders weitergeredet, das Thema wechselt komplett

- die Körpergröße verändert sich scheinbar, wirkt kleiner oder größer, stärker oder schwächer

- der Körper verkrampft sich, die Hände krampfen oder ähnliche Phänomene

- das Aussehen (Klamotten-Stil, Röcke statt Hosen etc.), auch Make-Up oder Accesoires (Brillen, Schmuck etc.) verändern sich plötzlich oder es werden jene geholt und sich umgezogen

- Psychophysiologische Empfindlichkeiten treten auf (andere Reaktionen auf sonst problemlose Medikamente, Essensarten, Geschmacksrichtungen etc.)



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Linehme

 

 

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