Programmierung


Inhalt: Konditionieren Gründe Was ist ein Programm und was nicht?Unterschied Konditionierung / ProgrammierungGegenwehr Deprogrammierung Anzeichen


Das Thema Programmierung fällt häufiger im Kontext der intendierten dissoziativen Identitätsstörung (siehe Typen / Kategorien der strukturellen Dissoziation) und beinhaltet eine innere Parallelwelt im Kind zu erschaffen, welche durch bestimmte Auslösereize abgerufen werden kann.
Das bedeutet es wird eine systematische Gewalt mit psychischen / körperlichen Markern und der Kombination mit aktiver Traumatisierung bei Kindern getätigt. Missbrauch von Hypnose und anderer Trance-Techniken gehören dazu.
Nicht immer stehen Gruppierungen hinter der Programmierung und Erschaffung von intendierten Systemen, es können auch Einzeltäter sein.

Meist ist die Basis eine Zweiteilung: "Ein Persönlichkeitsfragment (A) kann durch einen Schlüsselreiz hervorgerufen werden. Es steht unter der vollständigen Kontrolle durch den Hypnotiseur. Ein weiteres Persönlichkeitsfragment (B) ist im Alltag des Opfers aktiv und wird (meist) aus dem Unbewussten durch (A) gesteuert. In den raffinierteren Systemen der Bewusstseinskontrolle wird diese grundlegende, duale Spaltung zu einer komplexen, multiplen Persönlichkeitsstruktur mit zahllosen Alternativpersönlichkeiten ausgebaut." [1]

Es gibt viele Arten von Programmierungen und meistens werden sie sogar noch gekoppelt miteinander und können weitere Konditionierungen auslösen.
Manche Programmierungen gelten sogar weltweit und durch einfache Programm-Tests (Universal-Codes) können sie abgerufen werden:

Es wird eine Zahlenreihenfolge verbalisiert und in Folge dessen greift sich der programmierte Mensch an die Nase.
Darauf erkennt der Täter, dass gewisse universelle Programmierungen vorhanden sind.

Eine Programmierung muss nicht immer so offensichtlich sein. Bereits das "Schweige-Programm", was auch ohne absichtliche Programmierung von Tätern meist sogar unbewusst benutzt wird, findet sich bei fast allen Opfern sexualisierter Gewalt statt:
Das der Gewalt ausgesetzte Kind hört jedes Mal während der Traumatisierung, dass es ein Geheimnis ist, was hier passiert, dass "der Kindergärtner das Geschwisterchen umbringen wird, wenn es was verrät".
Schon das kann zu einer festen Programmierung werden, da jedes Mal bei der Tat dem Kind die immer gleichen Worte eingeflößt werden.

Gedankenspiel um zu erfassen, was damit gemeint ist:
Bei dem Wort "Programmierung" fällt einem wahrscheinlich der Computer ein, ein Programm was man anklickt und dann kann man damit etwas tun, wie im Internet surfen, ein Bild zu bearbeiten oder um eine E-Mail zu versenden.
Im aller gröbsten Sinne beschreibt das einen Teil der Programmierung in der Funktion an sich:

Durch den Mauszeiger klickt man (Trigger) mit der linken Maustaste auf ein Icon / ein Programm und es öffnet sich (Folge) ein Bildschirm mit dem etwas getan werden kann / etwas ausgeführt wird wie eine E-Mail abgerufen (Handlung).

Übersetzt auf die grausame Thematik im Kontext der organisierten Gewalt würde es bspw. so aussehen:

Die 30 Jährige Franziska erhält einen Anruf mit einem Zahlen-Code (Auslöser). Ein von den Tätern vorher gesetztes Programm aktiviert sich, um eine Abfolge zu starten.
Franziska legt das Telefon mechanisch zur Seite, beginnt an zu zittern (Folge) und bemerkt (ggf. bereits amnestisch dafür) wie sie plötzlich einen innigen Drang verspürt sofort sich bei einer bestimmten Nummer zu melden (Handlungsfolge).

Man erkennt in diesem Beispiel wie vermeintlich plötzlich und ohne die Möglichkeit einzugreifen eine Folge von Handlungen mechanisch ausgeführt wird.

Je früher die letzte Auffrischung eines Programmes ist, desto schwerer wird das Abwehren des Programmablaufs, jedoch je länger der letzte Täterkontakt als "Training" her ist, desto instabiler wird der Ablauf.
{fa-exclamation-circle } Das bedeutet auch, dass es kein unumkehrbares Muster für Betroffene ist, welches für immer aktiv bleibt.

 

 

Klassisches und operantes Konditionieren

Die Konditionierung wird als erster Schritt dazu benützt um die Grundlage eines Programms zu erstellen.
{fa-exclamation } : Ohne Konditionierung keine Programmierung.
Jedoch wird oftmals die Programmierung mit Konditionierung verwechselt, es gibt viele Arten der Konditionierung die keine Programmierung nach sich ziehen (und somit gibt es Konditionierung ebenso bei Menschen ohne org. Gewalt Hintergrund).

Fragen & Antworten

 

Warum programmiert man?

Mögliche Gründe, warum organisierte Gewaltstrukturen (bspw. religiöse, ideologische, kriminelle Gruppierungen) so handeln:

  • das Opfer soll Schweigen und niemals etwas über die wiederholten Übergriffe erzählen (Täterschutz)
  • Durchbrechung jeglichen "menschlichen" Widerstandes
  • (vermeintliche) Beherrschbarkeit des Opfers
  • Psychische Verwaltung und Bewusstseinskontrolle des Menschen
  • Überschreitung von Ekel- und Schamgrenzen
  • Ausführung von Gewalt auf andere Menschen
  • sofortige (Kontakt-)Abbrüche von jeglicher Art von Hilfe (Täterschutz)
  • Mentale Gewalt durch gespeicherte Schmerzen (unbändiger Hass, plötzlicher Suizidwunsch, Halluzinationen)
  • kommerzielle sexualisierte "Nutzung" / Eingliederung in die Gruppierung
  • soziale Isolation / Abwehr zu Hilfskontexten
  • Suggerierung von falschen Erinnerungen, um in den Augen der Umwelt Unglaubwürdigkeit zu generieren / Spurenverwischung (Täterschutz)

 

Was ist ein Programm und was nicht?

Ein Programm ist dafür da um eine vollständige Abhängigkeit zu einem externen Programmierer zu erhalten.
Ein Programm ist keine einzelne Konditionierung!
Ein Programm existiert auf Grund von benötigtem Wissen nahezu immer im Kontext der organisierten Gewalt, insbesondere und fast immer in destruktiven Kulten/Sekten.
Ein Programm ist nicht "einfach aufzuhalten" und Bedarf eine hohe Reflexion / Innenanteil-Arbeit innerhalb der Therapie / Ausstieg, um umgangen zu werden oder aufzulösen (das IST möglich!)

Was ist der genaue Unterschied zu einer Konditionierung und einer Programmierung?

Eine Konditionierung ist eine einzelne Abfolge von Reiz und Handlung. Das bekannte Beispiel ist der Pawlowsche Hund.
Ein Kind wird konditioniert auf einen Trigger, also Geräusche (Hupen-Abfolge von Autos) / Worte / Handzeichen / Bilder etc. um daraufhin eine bestimmte Handlung zu durchlaufen.
Das könnte zum Beispiel das Fühlen (von Angst) oder eben eine konkrete Handlung (auf dem Boden liegen) sein.

Bei einem Programm handelt es sich um ein komplexe Verhaltenskonstrukt welches Verhaltens- und Handlungsabläufe beinhaltet.
Man könnte sagen -dies trifft es aber nicht komplett-, dass ein Programm eine Verkettung von Konditionierung ist mit der Verbundenheit von dissoziativen Persönlichkeitsanteilen / Persönlichkeitsfragmenten im Inneren des multiplen Systems sowie dem Äusseren, welches nach einem strikten und unausweichlichem 'Programmablaufplan' festgelegt ist.

Genau hier würde man den Unterschied bezeichnen, eine Konditionierung kann auch sehr wohl mehrere Handlungsketten beinhalten, aber die inneren Identitäten/Fragmente sind nicht verkettet.
Konditionierungen lassen sich einfacher auflösen, als Programmierungen durch den Grad der dissoziativen Barrieren braucht es andere Methoden.
Es ist meist komplex in das Programmsystem zu gelangen und dort bestimme Ketten herauszunehmen oder den Trigger zu lokalisieren der das ganze auslöst, denn meistens wird das mitbedacht.

Oftmals werden Innenpersönlichkeiten in die Programmierung fest verbunden, welche zueinander keinen Kontakt haben, aber sich gegenseitig "auslösen" können.
Bedeutet: Persönlichkeit A erlebt den Trigger, Persönlichkeit B kommt vor und A geht wieder zurück. Beide sind amnestisch zueinander programmiert worden und halten ganz unterschiedliche Handlungen in sich.

Wird versucht ein Programm aufzulösen kann dies eine Verkettung von weiteren Programmen, welche zum Beispiel Therapieabbruch, Suizid oder die Rückkehr "nach Hause" beinhaltet.
Trotzdem gibt es vom Nervensystem einen inneren Widerstand und ein Entgehen des Programmablaufes, welcher eine Therapie und eine mögliche Deprogrammierung trotzdem ermöglicht.

{fa-bullhorn } Es ist elementar zu wissen, dass die injizierten Glaubenssätze / Programmierungen / "Wahrheiten" von Tätern nicht allumfassend sind, nicht für immer Gültigkeit haben und nicht stimmen.

Bei der Konditionierung ist es meist weit einfacher den Trigger zu lokalisieren, da dieser oft durch unverdächtige Stimuli oder neutrale Trigger ausgelöst wird wie ein Wort, ein Name, ein kleiner Satz der telefonisch, per Brief oder Zeitungsinserat und darauf eine einfache Handlung geschieht. Mit der Zeit kann man dies rausfinden und filtern, sich desensibilisieren und die Konditionierung neutralisieren.

Wer kann "programmieren"?

Um als Täter ein Kind zu programmieren (und da werden die Konditionierungen und Programmierungen gesetzt um Folgeprogrammierungen überhaupt zu ermöglichen) benötigt es gezieltes Wissen und dieses geben die "Organisationen" nicht so einfach raus.
Bedeutet, dass Menschen die das Programmieren von Kindern gelernt haben in der Organisation stecken und bei jeglichem Versuch (sofern überhaupt vorhanden) aus der Gruppierung auszusteigen "zurückgeholt" wird. Oftmals sind Programmierer selbst programmiert worden um Sicherheit für die Gruppierung zu gewährleisten.
Somit gibt es also viele Systeme die selbst dazu ausgebildet wurden. So unwahrscheinlich es klingt, so wahr ist es jedoch.

Die Täter benötigen einen gewissen Zugriff aus den oben genannten Gründen: Sie benötigen die volle Kontrolle des Umfeldes (damit keine Hilfe oder kein Ausweichen möglich ist) und den Schutz vor Aufdeckung.
Dies geht nur in gut strukturierten und höchst kriminellen Gruppierungen und mir bekannt sind derartige Programmierungen besonders im SRA-Kontext.

Ein einzelner Mensch kann alleine kein anderes Kind "einfach so" programmieren sehr wohl aber konditionieren (!).

Weshalb ist nicht jede vermeintliche Programmierung ein Programm?

Rein der Begriff "Programm" ist bereits schwer zu begreifen im Bereich der Mind Control.
Oftmals werden auch Konditionierungen als ein Programm verstanden, da das eine Programmierung die Verkettung von Konditionierungen erfordert (siehe oben).
Wann und ob eine Programmierung stattgefunden hat ist meist über die Therapie zu erforschen.

Welche Möglichkeiten gibt es sich zu wehren, sobald ein Programm gestartet ist?

Nach meiner Erfahrung nach gibt es nur wenig Möglichkeiten das Programm und den damit gestartetn Auftrag eines Innen-Anteils oder einer Innen-Gruppe zu unterbrechen. Der Sinn einer Programmierung ist es unter anderem alle möglichen Fehlerquellen vorab zu bedenken und auszuklammern. Nur vor dem "Start" kann vorsorglich eingegriffen werden oder mit einer Deprogrammierung versucht werden den Start zu manipulieren. Gefühlt ist es so, dass jede Deprogrammierung auch eine Art der Konditionierung ist, nur eben mit einem gesunden Background. Vorab können zum Beispiel Telefonnummern umgeleitet werden, damit jemand nicht angerufen werden kann oder dort ein Besetztzeichen kommt. Trotzdem wird der Anruf aber getätigt, sofern der Start begonnen hat.
Man kann in der Therapie Möglichkeiten erarbeiten, eine Nebenaktion mitlaufen zu lassen oder Kettenglieder um ein weiteres zu erweitern, bspw. das Helfernetz kontaktieren.
Das kostet Arbeit, Mut, Zeit und Kraft, ist besonders gut möglich, wenn der Ausstieg aus dem Täterkreis erfolgt.

Es gibt Systeme die sich absichtlich einschließen lassen in die eigen (sichere) Wohnung um Auffrischungen von Programmen zu unterbinden. Je länger die letzte Auffrischung her ist, desto wahrscheinlicher wird es, Programmierungen aufzudecken und vorab Sicherheitsmaßnahmen zu treffen.
Manche Betroffene installieren sich Kameras zur Haustür, um "nächtliche Wanderungen" zu dokumentieren und innerhalb der Therapie einen Zugang zu erarbeiten.
Es gibt so einige Methoden um etwas mehr Schutz zu ermöglichen - Nur Mut! Niemals aufgeben.

Gibt es Programmierungen auch bei nicht multiplen Menschen?

Mind Controll / Programmierungen können ebenfalls bei nicht multiplen Menschen bestehen, jedoch sind sie meist nicht derartig gefestigt wie wenn von Kindesbeinen an eine bewusste strukturelle Dissoziation hervorgerufen wird.

Ist eine Deprogrammierung möglich?

Betroffene von ritualisierter / organisierter Gewalt mit gezielt gesetzten Programmierungen (und immer auch Konditionierungen) brauchen gerade zu Beginn der Therapie einen äusserst achtsamen Umgang mit Vermutungen und Hinweisen.
Wichtig ist insbesondere aus den aktiven Täterkreisen auszusteigen (Thema Ausstieg Helfernetzwerk), um Auffrischungen möglichst zu unterbinden. Was kann Therapeuten helfen [2]?

Zuerst ist es von höchster Bedeutung Programme aufzudecken, sie zu erkennen als Therapeut. Das gestaltet sich teilweise schwierig, besonders wenn die Erfahrung mit Wortlauten oder Reimen nicht gross ist um den Bogen zur Programmierung zu spannen. Ein Indiz dafür können immer bspw. wiederkehrende Lieder sein (Kinderlieder, Kinderreime).
Als therapeutische Voraussetzung für eine Entkräftung der Programmierungen oder der Programm-Anteile steht meist (immer?) der Kontaktabbruch mit der Sekte / Kult / ritueller Organisation an erster Stelle. Egal wie hochkomplex die Programmierungen stattgefunden haben ist es nicht gänzlich mit vollständigem Erfolg gekrönt, denn ein innerer Widerstand zum Entgehen der Programmierungen bleibt bestehen. In den mir bekannten Fällen wurden immer Berichtserstatter-Anteile geschaffen um die Organisation auf dem Laufenden zu halten. Dies gilt es besonders zu beachten bei dem Thema Deprogrammierung.

{fa-exclamation-triangle } Bei vielen Betroffenen der intendierten DIS gibt es "innere Folterer" oder "innere Programmierer", hier gilt es einen Kommunikationskanal herzustellen.

Die positive Umformulierung der inneren "Aufträge" kann ein Weg sein um bestimmte Programmierungen abzuschwächen und auch aufzulösen. Als hilfreich werden innere Unterstützer wahrgenommen, die helfen können mitzudenken, wo angesetzt werden könnte.

Welche Anzeichen können (! muss nicht) einen Hinweis auf Programmierung geben?

  • Unerklärliche körperliche / psychische Reaktionen auf vermeintlich neutrale Reize (Symbole, Laute wie Glocken, Zahlenkombinationen, Verse, Reime, Namen, Berufsbezeichnungen)
    Rosa Auto fährt am Haus vorbei -> Impuls jemanden anzurufen
  • Jahreszeiten / Feiertag (auch unbekannte) Termine, an denen dissoziative Barrieren wiederkehrend hoch fahren oder körperliche /psychische Symptome wiederkehren (mit Anfang und Ende)
    Immer zu Ostern crasht das gesamte Persönlichkeitssystem
  • Starkes Druckempfinden plötzlich zu einem besonderen Ort hinfahren zu müssen
    Überraschendes Aufstehen und automatisierte Abfolge zu einem Ort per Auto oder Zug zu fahren
  • Unerklärliche Dissoziative Fugue / Stupor auf von außen betrachtet neutrale Reize (wiederholend)
    Glockengeräusche lösen eine Immobilität des Körpers aus
  • Starke Impulse zur plötzlichen Meinungsänderung, Lebensänderung, plötzliche tiefgreifende Lebens-Entscheidungen
    Therapie muss abgebrochen werden, das Studium sofort beendet, überraschende Entscheidung ins Ausland zu ziehe


Nur Mut! Ich kenne viele Betroffene, die sich auf ihrem Weg des Heilerwerdens begeben haben und erfolgreich starke Programmierungen / Konditionierungen aufgelöst / umgangen haben .
Sei kreativ! Es gibt so viele Wege unlösbare Programmierungen anzugehen und Lösungen zu finden! Lass dich von anderen Betroffenen inspirieren und teste, was sich hilfreich anhört!
Bleib im Kontakt! Dein Helfernetz kann sich immer neu justieren und erweitern, traue dich in der Therapie darüber zu reden!

Liebe Grüße,
Linehme

[1] Hans Ulrich Gresch "Unsichtbare Ketten" 2003
[2] https://rückenwind-ev.de/images/fachtagung/2018/03__Frau_Lutz_Therapeut._Arbeit.pdf

Symptome

Was beschreiben Betroffene, welche Situationen zeigen die alltäglich ansträngenden Symptome der ehemaligen Überlebensstrategie?
Ich möchte mich hier weniger auf die diagnostischen Kriterien oder manchmal auch unverständlichen Aussagen der Ärzte, sondern auf oftmals immer wieder Auftretende Erlebnisse zum Thema DSNNS.


Ich glaube mir nicht!

Auffällig ist besonders das völlig verstörte Selbstbild. Man glaubt sich selber nicht mehr (falls man es vor der Diagnose vielleicht sogar getan hat). Ist sich seines ganzen Erlebens völlig unsicher, viele denken sie Schauspielern die anderen Anteile, man lügt, fühlt sich intrigant und manipulierend.
Das schwierige ist hier, dass es auch "schwarze Schafe" gibt, welche mit Sicherheit auch ernstzunehmende Probleme haben, aber das eben tatsächlich und bewusst spielen um etwas damit zu erreichen. Und hier genau liegt der Schlüssel Satz, wenn man ehrlich zu sich selber ist:

Was würde es dir positives und bezweckendes bringen, dass du dir die Anteile / Persönlichkeiten "nur" ausdenkst oder hat dies für dich irgendeinen positiven, lebenserleichternden Aspekt?

Die "Schauspielerei" hat nur Nachteile und vor allem kann man sie nicht sein Leben lang aufrechterhalten. Irgendwann würde es rauskommen und ich weiß, genau vor diesem Augenblick fürchtet man sich, aber seltsamer Weise kommt dieser Moment nicht. Vielleicht gibt es einen vertrauten Menschen, der dich oder euch kennt und manchmal helfen genau diese Aussagen der Vertrauten (auch wenn sie keine Ahnung von euch oder Dissoziation haben) erheblich. Vielleicht bekommt man oft zu hören, dass man "dich nie einschätzen kann", man "das Gefühl hat ständig mit wem anderes zu reden" oder "du verschiedene Gesichter hast". Vielleicht aber bemerkt man auch vieles selber, man erinnert sich nicht richtig an irgendwelche Namen oder Personen, stellt in verschiedenen Momenten / Stresssituationen völlig verschiedene Lebensansichten fest und spürt die Anwesenheit von mehreren völlig gegensätzlichen Gefühlen. Ein großes Problem im Gegensatz zur Diagnose DIS ist vor allem die vielleicht "fehlenden Beweise", welche bei Menschen mit der dissoziativen Identitätsstörung die Akzeptanz der Diagnose manchmal "einfacher" machen. Es kann zum Beispiel sein, dass keine unterschiedlich geschriebenen Schriftstücke gefunden werden, oftmals keine andauernden Amnesien entstehen (durch welche man dem ganzen Erleben eventuell etwas mehr Glauben schenken kann) oder eine direkte Abtrennung der verschiedenen Persönlichkeiten auftreten und trotzdem ist man "viele".

Glaube dem was du wahrnimmst, denn das ist deine Wahrheit!

 

Ich funktioniere.

 

Viele der Betroffenen haben das Gefühl rein zu funktionieren, um nicht aufzufallen. Man lernt über die Jahre nach außen klarer zu wirken, kennt den Unterschied was bei anderen Menschen als "normal" angesehen wird und was auch nicht. Vielleicht sogar schafft man alles für andere ganz wunderbar, kann alles machen, was psychisch gesunde oder Uno´s (Menschen mit einem gesundem Ich) den Tag über ebenso tun (Feiern gehen, Arbeit ausführen etc.), aber was keiner sieht, weil es über die Jahre so gut erlernt wurde ist die extrem ansträngende innere Arbeit um all das zu bewältigen und um eben genau so zu funktionieren, wie es die Gesellschaft einem gewissermaßen vorschreibt. Eine Betroffene mit DIS sagte zu mir einmal: Es gehen 80% der Kraft mit der Innenorganisation drauf, 10 % bleibt vielleicht für die Arbeit und weitere 10% für Partner und Co.

Genau diese Aussage kann auch zu Menschen mit einer DSNNS zutreffen und keiner der Mitmenschen bemerkt das wirklich. Vielleicht wird wahrgenommen, dass der Betroffene oft in Kliniken ist oder in Psychiatrien, aber als Außenstehender wird man seltenst einbezogen und weiß gar nicht, wie der Betroffene therapiert wird oder aus welchem Grund er dort ist. Man sieht als Außenstehender vielleicht plötzlich auftretende andere Lebenseinstellungen oder völlig unterschiedliche Verhaltensweisen, aber schiebt es darauf, dass jener eben "so ist" ohne zu hinterfragen. Es wird sich gewundert, aber da fast keine Aufklärung in der Öffentlichkeit stattfindet, zucken deren Mitmenschen nur mit den Achseln, wenden sich ab oder akzeptieren das ohne das Hintergrundwissen.

Das Funktionieren ist also immens erschöpfend und wirkt für einen selber tatsächlich wie eine Schauspielerei, da den Part des Alltags eventuell ein Team oder eine Alltagsperson einnimmt, welche das schon gewohnt ist. Aber das alles mitzubekommen und zu wissen, dass so herbe Arbeit darin steckt ist für viele Betroffene sehr erschreckend und traurig, denn oft kann dadurch keine neue Kraft mehr geschöpft werden und meistens kommt es nach den Funktions-Situationen zu einem richtigen Trubel im Innen und dann auch im Außen. Für jeden kann dieses Funktionieren anders aussehen, aber viele der Betroffenen teilen diese Anstrengung.

 

Ich bin viele, oder doch nicht?!

Besonders beim Typ 1 der DSNNS, also dem fließendem Übergang zu einer DIS ist genau diese Frage unendlich quälend und kräftezehrend.
Die einen wissen es, dass viele anderen in einem stecken, weitere wissen, dass es "nur" verschiedene Anteile vom Selbst sind (und bezeichnen sich auch nicht als "viele") und wiederum weitere haben ganz ähnliche Probleme mit der Annahme von weiteren Persönlichkeiten wie bei Menschen mit DIS.
Und genau das macht alles so schwierig, es sind so fließende Übergänge und mal trifft alles, mal gar nichts und ein weiteres Mal nur ein gewisser Teil zu. Oftmals geht es aber genau um diese Frage und das Hinterfragen der Feststellung geht es in vielen Situationen. Man hört die anderen, die Stimmen im Kopf, sieht wie sich alles verändern kann von Haltung, Mimik und Stimmlage, aber es ist ja nicht so. "Ich kann es bestimmt jederzeit abstellen", aber kann man das wirklich? Höchstwahrscheinlich nicht und damit kann man seine eigene Glaubwürdigkeit für sich selber auch etwas feststellen. Gut möglich ist es auch, dass keiner der vorhin aufgezählten Auswirkungen bemerkt werden, wie gesagt es ist bei jedem unterschiedlich. Aber einem kann man sich gewiss sein: Es wird mit der Zeit strukturierter und das eigene Glauben wird besser, auch wenn es Jahre dauert.

Das Glauben an die anderen ist oftmals ein langanhaltender Prozess und wird immer wieder mit Rückschlägen zum "nicht-fassen können" gekennzeichnet. Bei Menschen mit einer ausgeprägten DIS gibt es oftmals Persönlichkeiten, welche das alles nicht glauben, welche die wildesten Erklärungen für die "vermeintlich anderen" erfinden und genau das kann auch bei einer DSNNS passieren: Persönlichkeiten oder Anteile, welche genau dieses im Kopf haben:
"Was nicht sein darf, kann nicht sein!"

Manchmal vermischen sich aber viele Empfindungen, mal fühlt ein Betroffener sich als einzelne Person und manchmal mehr als "viele", es ist gut möglich, dass entweder ein funktionierender Anteil / Persönlichkeit sich vorne "bewegt" oder es auch ganz einfach gerade eben so ist. Die Akzeptanz, dass es sich gerade so oder anders anfühlt hilft meistens ein wenig, aber am besten kann darüber mit einem geschulten Therapeuten / Arzt gesprochen werden.

weiteres folgt...

 

Interview

Das Interview mit einem Betroffenem der
Ego-State-Disorder


Oftmals ist es genau das: ein Wirrwarr von Diagnosen, nichts Halbes und nichts Ganzes, von jedem stimmt etwas aber auch nicht alles. Auch wenn die Ego-State-Disorder nicht diagnostiziert wird, da es momentan noch zur dissoziativen Störung nicht näher spezifiziert dazugehört, kann man sich genau darin wiederfinden, was Menschen dabei beschreiben.

Um ein wenig mehr Transparenz in diese vielschichtigen dissoziativen Strukturen möchte ich euch ein Interview mit einem Betroffenen, der sich nicht als "völlig abgespalten" aber auch nicht als ein einziges "völliges Ich" wahrnimmt, vorstellen:

Joshua (Namen zur Sicherheit geändert, diesen hat er selbst ausgewählt) ist zum heutigem Zeitpunkt männliche, 26 Jahre jung. Er lebt alleine, fast schon wie ein Einsiedler und hat nur über das Medium Internet Kontakt zu anderen Menschen. Joshua ist erwerbsunfähig geschrieben worden, hat keine Ausbildung abschließen können und bestreitet sein Leben jeden Tag aufs neue in seinen Regeln und sekündlich ändernden Lebensvorstellungen. Mal gelingt es besser, mal gelingt es schlechter, aber eines hat er in seinen jungen Jahren schon erreicht: Er hat überlebt.
Denn in seiner frühkindlichen bis jugendlichen Vergangenheit hat er viel überleben müßen:

Ein herrischer, emotionskalter Vater, der psychische Gewalt an ihm ausgelebt hat, eine Mutter, welche durch ihre Medikamentenabhängigkeit und schweren psychischen Störungen statt einer liebenden helfenden Mutter, ein Wechselspiel von Gut- und Boshaftigkeit, ihre Kinder traktierte sowie Geschwister, welche all dem hilflos ausgeliefert waren.
Zusätzlich zu diesem schwierigen Familienbild zeichnet sich der Vater anhaltend durch die "Weitergabe" Joshuas an ein pädophiles Paar besonders gewaltätig aus. Er hatte keine helfende Hand, keinen unterstützenden Verwandten, keine Hilfe, welche irgendwie das Leid abmildern konnte, oder zumindest einen vertrauten Menschen, dem er all das hätte erzählen konnte.
In seinen jungen Jahren war es Joshua nur möglich das alles zu überstehen und zu überleben, indem er sich in seine Phantasiewelten zurückzog, sich einen Raum schaffte, der Jenseits von all dem Grauen war. Doch dies reichte nicht um die junge Kinderseele zu schützen, er entwickelte entsprechend der Situationen Ich-Rollen, jede für sich war er, aber diese wurden immer stärker und andauernder benötigt um zu überleben.

Heute kämpft er alltäglich mit seinen States, stark ausgeprägte Rollen / Anteile seiner selbst, welche so kongruär denken wie auch handeln können. Einer seiner States hat mittlerweile auch einen guten Kontakt zu einem Geschwisterteil aufgebaut, endlich ein Stück Boden, zwischen all dem Nichts und dem Grauen. Zwar hat der Geschwisterteil damals nie eingreifen können, konnte ihn nicht beschützen, aber dieser war ihm mehr noch ein Vater, als der eigene.
Joshua ist nun in Therapie, dies ist nicht seine erste, aber seine erste selbst erarbeitete Austauschmöglichkeit, welche er freiwillig besucht und dort hart an sich arbeitet, wie jeden Tag. In der Therapie wird er ziemlich schnell nach der Ego-State-Therapie behandelt (trotz, dass er nie seine Erlebnisse mit sexualisierter Gewalt erzählte) und er hat seine Anteile erkannt und kann diese nun auch formulieren:


Linehme: Joshua, wenn du nun in dich reinfühlst, was fühlst du ?
Joshua: Ich spüre die Anwesenheit meiner Anteile.

Linehme: Wieviele States konntest du mittlerweile in der Therapie ausarbeiten?
Joshua: Ich habe 8 Anteile in mir, jeder hat eine eigene Geschichte und in der Therapie konnte ich diese identifizieren.

Linehme: Wie würdest du den Moment beschreiben, wenn du "plötzlich anders" bist?

Joshua: Es ist für Aussenstehende oft sehr befremdlich in solchen Momenten, aber ich weiß genau "Ich fühle mich nicht anders, ich bin immer ich" und dies zu jedem Zeitpunkt. Dies ist anders als bei Menschen mit einer dissoziativen Identitätstörung oder einer DSNNS, ich habe keine "Namen" für diese States und höre auch keine anderen Stimmen in meinem Kopf, aber trotzdem sind alle 8 für sich sehr ausgeprägt, so stark, dass sie mein Leben beeinflussen und auch beeinträchtigen. Ich empfinde es wie eine sehr sehr starke Phase einer völlig anderen Lebensrichtung.

Linehme: Könntest du mir diese States beschreiben?
Joshua: Wie auch bei Menschen mit einer DIS etc. habe auch ich soetwas wie ein Alltagsteam, ein sehr präsentes Trio welches ich als Alltags-Ich wahrnehme:

An der Spitze dieses Teams steht der "Berserker", ein alles vernichtender Anteil, ohne Mitleid und Einfühlungsvermögen. Er ist nicht dazu da mich zu schützen, sondern um etwas aktiv gegen die momentane Streßsituation zu unternehmen. Als Ziel sieht dieser Anteil sich möglichst aggressiv und brutal gegenüber anderen Menschen zu verhalten um bei seinem Gegenüber Angst zu erzeugen. Wenn ich in diesem Zustand bin, habe ich einen Satz in mir: " Es ist mein verdammtes Recht zu tun was, wo und wie ich will". Durch ihn kann ich mich in der Öffentlichkeit bewegen, was mir sonst durch meine soziale Phobie nicht möglich wäre.
Wenn ich ihn beschreiben müßte würde ich sagen, er ist ein völlig erschöpftes Wesen, eine Mischung aus Mensch und Ding, seine Hände nehme ich groß und knöchern wahr, er ist riesig und hat zerfetzte Kleidung an sich. Er trottet immer voran, sogar noch vor dem "Bären".

Gleich neben dem "Berserker" ist bei mir ein stark beschützender, fast schon väterlicher Anteil, der sich sehr gerne um andere Menschen kümmert und seine Klauen ausfährt, wenn ein ihm wichtiger Mensch in Not gerät. Ich habe bei ihm immer das Bild eines großen Braunbären, der sich schützend über alles legt.

In der Hand des Bären ist ein weiterer State: Das Kind.
Es fühlt sich wie ich selbst mit 8 Jahren an und ist extrem ängstlich, wie ein Häufchen Elend, welches sogar Angst vor Wolken haben kann. Dieser Anteil ist meistens nur wenige Minuten vorhanden, da sofort der "Berserker" hervortritt und "seinen Modus" wählt. Durch den Schutz des Bären kann dieses Kind sich überhaupt nach vornebewegen, ist aber immer im Alltagstrio vorhanden.

Es gibt auch noch andere, unteranderem ein gesunder Anteil, der gerne lebt, Spaß hat, agil ist und Sport betreibt und sehr lebensbejahend durch die Welt geht.
Weiterhin einen Funktionsanteil, der immer das gleiche Programm abspult, aber völlig emotionslos alltägliche Dinge übernimmt, wie Ämtergänge und Anrufe, aber auch sehr apathisch wirken kann.

Ebenso einen Einsiedler, welchen ich wie ein Eremit in einer Blockhütte lebend beschreiben würde, den "Normalzustand", welcher ein Mix aus Fröhlichkeit, Funktionieren, Einsiedlerdasein und Kindanteil beinhaltet, ein weiteres inneres Kind, welches starke Zuneigung und Geborgenheit sucht, sehr kreativ und phantasiereich ist und einen gesunden Anteil, der völlig beschwerdefrei und gesund erlebt wird.

Linehme: Joshua, vielen Dank für deinen inneren Einblick!


Dieses Interview zeigt einen kleinen Einblick in die innere Landkarte des Betroffenen Joshuas und vielleicht hilft es dem ein oder anderen Menschen ein wenig mehr sich selbst zu verstehen.

Beispiel

Beispiel der Ego State Disorder:

Renate Freundlich (Name geändert) kommt zu mir mit der Frage: „Bin ich wohl multipel?“ Und erklärt, dass sie von der dissoziativen Identitätsstörung gehört hat: „Irgend etwas daran trifft auch auf mich zu.“ Nach einer sorgfältigen Diagnostik kann ich sie beruhigen: Nein, sie ist nicht multipel. Doch es ist ganz deutlich: Sie hat sehr verschiedene Anteile in sich und leidet zum Teil erheblich darunter, dass sie „so verschieden ist“. In ihrem Beruf ist sie „ganz die tolle berufstätige Frau“, aber in der Theater-AG, in der auch einige Kollegen sind, „da spiele ich manchmal ganz obszöne Rollen, oder auf derbe Weise den Clown, das ist mir hinterher immer sehr peinlich.“ Bei mir erschein sie manchmal wie ein draufgängerischer, aber charmanter kleiner Junge mit Knickerbockern und Schiebermütze – irgendwie erinnert sie mich dann an den kleinen Jungen auf dem Plakat mit Charly Chaplin als „Tramp“. Ein andermal kommt sie mit zartesten Blüschen, spricht leise und ängstlich wie ein kleines Mädchen. Dann wieder wirken ihre Bewegungen eckig und ungelenk und sie kann „brutale“ Sätze äußern. Immer wieder bricht etwas aus ihr heraus, und sie schildert, dass sie große Mühe habe, die verschiedenen Anteile zu akzeptieren, geschweige denn, sie zu steuern.

Multipel ist sie jedoch nicht, weil sie keine pathologische Alltags-Amnesien hat; sie weiß immer, wann sie in welcher Rolle ist, und mit einiger Konzentration schafft sie es auch, von einem Persönlichkeitsteil zum anderen zu wechseln. „Die kommen eher so aus mir hervor“, sagt sie. „Mit Mühe kann ich es verhindern oder zulassen, aber trotzdem irritiert es mich, und ich frage mich oft: Wer bin ich denn _eigentlich?“

Ein pures Rollenspiel ist es aber auch nicht, denn sie fühlt sich von außen gesteuert: Je nachdem, wer oder was gerade auf sie zukommt (die Chefin, ihr Berufsalltag, ihr Sohn, ihr Mann, ihre Theater-AG-Mitspieler, etc.), „wechselt“ sie ihre Identitäten. Meist ist dies funktional. Doch wenn sie durcheinander ist, kann auch schon mal zur Unzeit ein anderer Teil der Persönlichkeit nach außen „rutschen“, und das ist ihr äußerst peinlich.

In der Anamnese ergibt sich: Schon als Kind hat sie sich oft „weggeträumt“ in andere Wesen und Identitäten. Und das musste sie offenbar auch, denn sie schildert, sowohl vom Großvater als auch vom Vater sexualisierte Gewalt erlebt zu haben. Niemand half dem Kind, niemand sprach über die namenlosen Schrecken mit ihr, also hat sie, die über eine starke dissoziative Fähigkeit verfügt, sich selbst geholfen und unterschiedliche Ich-Zustände geschaffen, darunter einige, die von der Gewalt nichts wussten, aber durchaus kreative oder auch „heimliche“ Selbst-Anteile verkörperten. Als Erwachsene hadert sie mit dieser Fähigkeit: Jetzt möchte sie lernen, selbst zu bestimmen, welche Teile von ihr nach außen hin sichtbar werden und welche nicht. Und sie möchte zu einer integrierten kohärenten Persönlichkeit zusammenwachsen.

Aus dem Buch Trauma und die Folgen von Michaela Huber:
(Trauma und die Folgen. Trauma und Traumabehandlung, Teil 1, S. 126 ff.)

Ego-State-Disorder

alt

Ego-State-Disorder & die Ego-State-Therapie

(editiert: fehlende oder falsch interpretierte Stellen werden geändert und rausgenommen)


Die Ego-State-Disorder (ESD) ist keine offizielle Diagnose würde aber von vielen Fachkundigen in der allgemein umfassenden Störung F44.9 des DSM-IV zu finden (Dissoziative Störung nicht näher bezeichnet) sein und somit eine Unterkategorie der DSNNS beschreiben. Im ICD-11 würde man wahrscheinlich die partielle dissoziative Identitätsstörung in Betracht ziehen oder wenn nicht alle Punkte erfüllt werden, unter 6B6Y Sonstige näher bezeichnete Dissoziative Störungen fallen.

Das Verständis einer Selbst-Anteil-Unordnung (frei übersetzt) ist keine "neue" Entwicklung in der Ich-Psychologie, sondern beschreibt das Selbst von einer Meta-Ebene aus (Ähnlichkeiten sieht man im chinesischen Ying-Yang Konzept oder auch beim buddhistischen Pfad zur Weisheit, welches im Enddefekt vereinfacht die "Harmonie mit sich Selbst" aussagt).

Bei der ESD werden innere Persönlichkeitszustände (Selbst-Anteile, Ich-Zustände, Ego-States) bemerkt und wahrgenommen, jedoch ist das äußere, auffällige Verhalten sehr viel abgemilderter, als bei der dissoziativen Identitätstörung (DIS) bzw. bei manchen Menschen der DSNNS. Die Stimme, das Verhalten oder die Eigenarten der sogenannten Ego-States (stark ausgeprägte Rollen) verändern sich nicht merklich, es werden meistens auch keine eigenständigen Stimmen im Kopf wahrgenommen im Gegensatz zum hochdissoziativem Erleben von Menschen mit DIS / manchen Menschen mit DSNNS.

Ein Mensch mit einer Ego-State-Disorder, oder dem, was man darunter versteht ist nicht multipel im Verständnis einer dissoziativen Identitätsstörung, sondern hat im Falle einer "Störung" dysfunktionale innere Rollen, welche den Alltag "stören" oder das Selbst-Gefühl massiv stören.

Wie man sieht sind die Übergänge sehr fließend und es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten und Abstufungen wie es Menschen gibt.
Das ist eine wichtige Erkentniss, denn nicht jeder passt in die Schublade der ESD / DSNNS / DIS, welche die DSM-IV oder ICD-10 "vorgibt".

Es gibt einige Lektüre zu diesem Thema, besonders aber im Bezug auf die Ego-State-Therapie mit der einige (sehr informierte) wenige Therapeuten Menschen mit einer Posttraumatischen-Belastungsstörung unterstützen und helfen, da diese jedem schwer traumatisierten Menschen sehr helfen können:
 

  • Innere Kinder, Täter, Helfer & Co: Ego-State-Therapie des traumatisierten Selbst von Jochen Peichl
  • Ego-States - Theorie und Therapie: Ein Handbuch von Helen H. Watkins und John G. Watkins
  • Die inneren Trauma-Landschaften. Borderline - Ego-State - Täter-Introjekt von Jochen Peichl

Wie man erkennen kann, ist Jochen Peichl ein Vorreiter dieser Selbst-Theorie in Deutschland.

Im Zusammenhang mit Ego-State-Disorder darf auf keinen Fall das Wort "inneres Kind" fehlen, denn das ist meistens jenes, welches große Probleme der Betroffenen im Alltag macht, welches man meistens erst richtig kennenlernen muß und auf keinen Fall vernachlässigen darf.
Dieses beschreibt eine Betrachtungsweise der inneren Erlebniswelt und symbolisiert die gespeicherten Erfahrungen, Gefühle und Erinnerungen aus der eigenen Kindheit.
Manchmal erlebt man auch bei einem Betroffenem diese kindlichen Eigenschaften, besonders wenn plötzlich der Betroffene besonders / ungewöhnlich viel Geborgenheit & Liebe braucht, lieber etwas spielen will und darin völlig aufgehen kann. In solchen Situationen sollte man als Angehöriger nicht "täter-ähnliche" reagieren, also es abstoßen, sagen man soll sich erwachsen benehmen und ähnliches, denn es ist ein wichtiger Anteil eines traumatiserten Menschen und gehört ebenfalls dazu.

Erleben kann man diese States / Alter als Betroffener genauso wie als Angehöriger betrachtend zum Beispiel:

  • Der plötzlich verwundbare, schwer seelisch verletzte, ständig weinende Mensch, der sich sonst nie so verhält
  • Als Berserker, wütender Märtyrer, der extreme Ansichten auf Mensch und Welt hat
  • Wie ein Kind, welches wimmernd sich an seine Kuscheltiere festhält
  • Der Funktionierende, der immer weiß, wie man Probleme löst, aber keinerlei Emotionen dazu hat
  • Als völlig freier, unbekümmerter Mensch, der gerne Partys schmeißt oder schnelle Autos fährt
  • usw.

Und all diese States in einem Menschen vereint, nicht zu besonderen Lebens-Abschnitten, sondern täglich mit diesen sehr extremen verschiedenen Egos umgehen muß. Sekündlich kann wie bei einem Betroffenen der emotional-instabilen-Persönlichkeitsstörung das Switchen, durch Trigger hervorgerufen werden oder für Aussenstehende undurchsichtig sich entwickeln. Es ähnelt sich quasi den Menschen mit einer DIS oder einer DSNNS (da es ja dort zur Unterkategorie eingordnet werden würd), aber es gibt den Unterschied, dass er immer zu jeder Zeit weiß, welcher State er ist (wenn auch unbewusst) und keine Amnesien oder ähnliche Kennzeichen (die bei DIS und auch bei DSNNS vorkommen können) erleben muß. Ich persönlich kategoriesiere diese Abstufungen zu den verschiedenen Diagnosen doch etwas ein, wenn auch nicht diagnosefähig betrachtet, will ich euch meine Gedanken dazu bildlich zeigen:

Das gesunde Ich-Gefühl ist ein untraumatisiertes Ich, zu jeder Zeit, an jedem Ort ist das Gefühl vom Selbst vorhanden und wird auch nicht in Frage gestellt. Dies zeigt quasi eine innere vollständige Landkarte, welche immer abgerufen werden kann, wenn es nötig ist. Jeder gesunde, "normale" Mensch, empfindet sich als komplettes Ich (ohne Zufuhr von Drogen etc.). Aber auch in diesem gesundem Ich-Zustand gibt es ganz normale Rollen / States des Alltags (Mutter/Vater-Rolle, Arbeits-Typ, Freund-Person) entstehen, jedoch völlig gesund in einem Miteinander agieren.

 

Das traumatisierte Ich hat Probleme mit der genauen Identifizierung in Flashback-Situationen (Erinnerungs-Blitze, welche die traumatische Situation zum späteren Zeitpunkt gefühlsnah immer wieder erleben lassen). Es bestehen Möglichkeiten von falschen Ich-Zuständen, das "nicht erkennen der Gegenwarts-Situation". Die innere Landkarte ist somit leicht verändert und zeigt andere Ich-Zustände an.
In der posttraumatischen-Belastungsstörung (Grundgerüst jeder traumabasierenden, dissoziativen Störung) können zwar Zusammenhängende Ich-Zustände, sowie Täterintrojekte (Verhalten / Gefühle / Gedanken des Täters-Traumaverursachers werden in das Selbst hineingenommen als Schutzmenchanismus vor Kontrollverlust) entstehen. Man kann sich gespaltener erleben, typische Verhaltensweisen der "normalen" Rollen sehr viel ausgeprägter erfahren. Die in der Trauma-Situation entstandenen oder vertieften Ego-States können sich bereits dysfunktional zueinander verhalten.

In der Ego-State-Disorder sind die "normalen" Rollen eines jeden Menschen schon sehr früh zum Einsatz des Überlebens gekommen. In der kindlichen Vergangenheit oder während einer traumatisierten anhaltenden Situationen mußten States "kreiert" oder vertieft  werden um das Überleben von wiederholten traumatischen Situationen zu überstehen. Diese Möglichkeit des Überlebens zieht sich als wichtige Struktur im Leben durch und alle verschiedenen States / Ich-Zustände sind zwar verknüft miteinander, aber agieren auf ihre ganz eigene Art und Weise um mit Streß-Situationen umzugehen, da dies so in der Vergangenheit gelernt wurde. Die Besonderheiten sind hier die Verknüpfungen zum Ursprungs-Charakter / zum "Festland", da immer alle Anteile bescheid wissen, wann was passiert und welcher Teil der Persönlichkeit (der auch gegenläufige Welt-Ansichten haben kann im Gegensatz zu jedem anderen Teil) agiert.

In der dissoziativen Störung nicht näher spezifiziert können alle vorherigen Zustände entstehen. Hier ist es im Extremfall dargestellt, wenn also alle Persönlichkeiten (völlig für sich alleinstehende Anteile) voneinander getrennt und abgespaltet sind. Es können somit Amnesien und sichtbare Switches (auf einem Stuhl sitzt plötzlich eine andere Persönlichkeit ergo wechsel zu einer anderen Person) auftreten genauso wie auch keinerlei Äußerliche Veränderungen oder "Zeitverlust" erlebt werden. Hier ist der Übergang von PTBS - DIS sehr fließend, aber allgemein kann man sagen, dass sich die Anteile / Persönlichkeiten eigenständig entwickelt haben, also ein wenig stärker dissoziiert sind als bei der ESD. Meistens werden aber nur sehr wenig Amnesien oder Switches wahrgenommen oder gibt es auch gar nicht. Jedoch fällt auf, dass viele Betroffene auch namen für die Persönlichkeiten haben, auch von Stimmen berichten und im Gegensatz zu ESD "die anderen" deutlicher wahrnehmen. Jedoch merke man sich: Es gibt so viele Möglichkeiten von Symptomen wie es Menschen gibt.

Die dissoziative Identitätsstörung ist somit die hoch abgespaltene Dissoziation eines Menschen in denen sich alles mögliche vereinen kann. Jedoch wird als Diagnosekriterium fast immer die Dissoziation Überlebensstrategie: Trauma bleibt unbewusst gespeichert und kann erst nach Jahren auftauchen.">Amnesie und deutlichen Switches genannt. Der ursprüngliche Ich-Zustand ist überhaupt nicht mehr vorhanden, sondern völlig aufgespalten um zu überleben. Viele Betroffene empfinden sich als ein komplettes "System" und in diesem können weitere Untersysteme sich entwickeln, mit mehr oder weniger Co-Bewusstseinsgefühlen (Persönlichkeiten die sich untereinander kennen), sowie jeder für sich völlig eigenständig agieren. Vielleicht gibt es wie im Bild zu sehen bestehende Brücken, vielleicht aber auch völlig unterschiedliche "Leben". Diese Struktur bildet sich in den heftigsten und langjährig anhaltenden Trauma-Situationen. Dementsprechend solange eine "Persönlichkeit" gebraucht wird existiert sie auch und dies kann soweit führen, dass andere diese Zeit komplett nicht miterleben.

Die Beschreibung ist nur ein ganz kleiner Teil und auch völlig unvollständig, aber da es so viel zu diesem Thema zu schreiben gibt, lasse ich hier von ab.
Alle diese Gedanken zum Thema Dissoziation sind eine Wahrnehmung von mir und entsprechen nur einem Kleinem Bild des kompletten Spektrums. Aber vielleicht hilft es ein wenig, das ganze grob zu überschauen.

-Linehme

 

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